Porsche Engineering feilt an digitalem Batteriezwilling
Im vergangenen Jahr begann Porsche Engineering mit der Entwicklung digitaler Zwillinge für Hochvoltbatterien. Die Engineering-Tochter des deutschen Luxusautobauers meldet nun rasante Fortschritte, darunter eine erste Funktion namens „Repair Prediction“.
Porsche Engineering ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Porsche AG mit Sitz in Weissach und bietet wie Porsche Consulting Dienstleistungen für Dritte an. Porsche Engineering hat wie seine Beratungsschwester seine Wurzeln innerhalb des Unternehmens, ist jedoch seit vielen Jahren auf technische Entwicklungsdienstleistungen für ein breites Kundenspektrum spezialisiert.
Mit Blick auf das beginnende Elektrozeitalter bezeichnet Porsche Engineering Batterien als den entscheidenden Bestandteil von Elektrofahrzeugen – unter anderem, weil sie einen erheblichen Einfluss auf den Restwert haben. Um im Detail zu verstehen, wie Batteriezellen und -systeme altern und welchen Einfluss das Nutzungsverhalten auf deren Lebensdauer hat, entwickelt das Unternehmen seit 2023 einen sogenannten digitalen Zwilling – und gibt nun erste Zwischenergebnisse bekannt.
„Wir müssen verstehen, wie sich die Zellen langfristig im Feld verhalten – ohne wie beim Verbrennungsmotor auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen zu können“, erklärt Joachim Schaper, Leiter KI und Big Data bei Porsche Engineering. Der Zwilling soll daher einen Blick in die Zukunft ermöglichen, wobei sich die digitale Darstellung der Batterie exakt wie das Original verhält und so Aufschluss über den zu erwartenden Alterungsprozess gibt. Nach Angaben der Engineering-Tochter können mit dem digitalen Zwilling auch die Lebensdauer und Leistung der Batterie verbessert werden.
KI-Experten von Porsche Engineering in Deutschland und Tschechien berichten, dass sie inzwischen Prototypen der elektrochemischen und thermischen Modelle erstellt haben, die nun mit KI-Analysen kombiniert werden. Aus der Arbeit am Digital Battery Twin ist bereits eine erste Funktion mit Reparaturvorhersage hervorgegangen, die auf einem maschinellen Lernalgorithmus basiert, der die Batteriedaten überwacht und vor Verschleißerscheinungen oder Anomalien warnt.
Um einen digitalen Zwilling der Batterie zu erstellen, sind mehrere Datenquellen erforderlich. Als Grundlage zur vereinfachten Beschreibung des elektrischen Verhaltens der Batterie dient ein sogenanntes Performance-Modul, das auf etablierten Ansätzen (wie dem Widerstand-Kondensator-Modell) aufbauen kann. Darüber hinaus gibt es ein komplexeres elektrochemisches Modell, das die Prozesse in der Batteriezelle simuliert. Eine weitere Säule ist das thermische Modell, mit dem sich vorhersagen lässt, wie die Batterie auf Kälte oder Hitze reagiert.
Im Fall von Porsche Engineering basieren diese Modelle überwiegend auf Laborversuchen mit einzelnen Zellen oder Zellmodulen und können nur bedingt vorhersagen, wie sich die Batterie im Fahrzeug verhält. Dafür werden reale Felddaten von Testfahrzeugen oder von Prüfständen genutzt, auf denen Zellen gemessen werden. Diese werden mit Daten aus der Flotte ergänzt, wenn die Kunden an einem Datenaustauschprogramm teilnehmen. Mithilfe der Felddaten werden KI-Algorithmen trainiert, Muster im Nutzungsverhalten der Kunden zu erkennen. Temperatur- oder Spannungsabweichungen in einzelnen Zellen können beispielsweise auf vorzeitigen Verschleiß und Anomalien hinweisen.
Allerdings gibt Porsche Engineering an, dass eine KI nur Aspekte erkennen kann, für die es im Feld eine Datenbank gibt. Aussagen zu langfristigen Alterungseffekten kann sie nicht treffen, da kaum ein Elektrofahrzeug auf der Straße älter als vier Jahre ist. Deshalb bringen die Ingenieure von Porsche Engineering beide Welten zusammen: „Erfolg liegt in der Kombination bestehender modellbasierter Komponenten mit KI-Methoden“, erklärt Adrian Eisenmann, Entwicklungsingenieur bei Porsche Engineering.
Einige Start-ups konzentrieren sich bereits ausschließlich auf die Analyse von Batteriedaten. Doch der bloße Blick auf Zellen und Module reicht aus Sicht von Porsche Engineering nicht aus: „Man braucht auch umfassende Kenntnisse über die Prozesse im Fahrzeug“, betont Chef Joachim Schaper, der sein Unternehmen in beiden Welten zu Hause sieht: „Zum Beispiel Die Ingenieure haben große Teile des Batteriemanagementsystems für Porsche-E-Fahrzeuge sowie Pulswechselrichter für den Antrieb entwickelt. Gleichzeitig beschäftigt Porsche Engineering hochspezialisierte Batteriedatenwissenschaftler.“
Langfristiges Ziel des Unternehmens ist es, nicht nur einen allgemeinen digitalen Batteriezwilling, sondern künftig auch eine digitale Abbildung einzelner Fahrzeugbatterien zu schaffen. „Es könnte in der Cloud laufen und Kunden auf Wunsch Informationen darüber liefern, wie ihr Verhalten die Lebensdauer der Batterie verlängern kann, ohne die Fahrleistung zu beeinträchtigen“, sagt Porsche Engineering. Einige Faktoren, die sich positiv auf die Haltbarkeit auswirken, sind allgemein bekannt: Der Ladezustand (SoC) sollte konstant zwischen 30 und 70 Prozent gehalten und extreme Außentemperaturen vermieden werden. Doch das sind nur einige von vielen Faktoren. Porsche Engineering weist darauf hin, dass die Batteriealterung ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren ist, die insbesondere im Feldeinsatz nur schwer voneinander zu trennen sind.
Aus Sicht der Porsche-Ingenieure ist es sogar denkbar, dass der digitale Doppelgänger in Zukunft zur Personalisierung des Fahrzeugs genutzt werden könnte. „Wir könnten auf Wunsch den Fahrstil des Kunden analysieren und die Parameter im Batteriemanagementsystem ändern, um den Verschleiß zu minimieren“, berichten sie. Digitale Zwillinge könnten künftig auch wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Batterien liefern – möglicherweise auch außerhalb der Automobilindustrie. Eine umfassende Datenerfassung zum Verschleiß von Batterien ermöglicht auch einen besseren Einsatz in Second-Life-Anwendungen wie der stationären Speicherung, wie sie beispielsweise von den Unternehmen Voltfang oder The Mobility House durchgeführt werden. Scharper merkt außerdem an: „Das Wissen über die Zellen könnte auch auf Lastwagen, E-Bikes und Boote übertragen werden.“